Zuschlagskriterien erhöhen Aufwand
Die Notwendigkeit eines zweiten Zuschlagskriteriums erhöhe für Auftraggeber wie Auftragnehmer zunächst einmal den Aufwand. Wobei dies weniger den Planungs- als vielmehr den Bereich der Ausführenden – also der Gewerkeleistungen – treffe, ist Claudius Weingrill, Leiter für Architektur- und Bauvertragswesen der Bundesimmobiliengesellschaft, überzeugt.
„Im Dienstleistungsbereich, also etwa auch bei den Planungsleistungen, haben neben dem Preis immer schon weitere Kriterien eine Rolle gespielt. Manche KMUs könnten sich jetzt mit gewissen zweiten Zuschlagskriterien überfordert fühlen, insbesondere wenn sie viel Aufwand in deren Ausarbeitung stecken müssen,“ so Weingrill. „Für uns ist der entscheidende Faktor
nach wie vor die Qualität der Leistungserbringung durch die Gewerkeunternehmer in Österreich.“
Höhere Qualität sei jedoch mit einem höherem Preis verbunden, betont Andreas Gobiet, Präsident des VZI und damit Vertreter von rund 4000 Ingenieuren und Architekten in Österreich. Er bezweifelt, dass die neuen Regelungen zu höherer Qualität von Bauprojekten beitragen. Für ihn müssten Qualität und Preis im Verhältnis von 80 Prozent zu 20 Prozent stehen. Gobiet: „Das wäre ein echter Bestbieterwettbewerb. In skandinavischen Ländern wird nur so, und das höchst erfolgreich, gearbeitet. In Österreich ist es genau anders herum: der Preis spielt immer noch zu 80 Prozent die wichtigste Rolle, so kommen wir nicht weiter, dadurch ändert sich gar nichts.“
Kriterienkataloge derzeit in Ausarbeitung
Stephan Heid, mit seiner Kanzlei Heid Schiefer Rechtsanwälte Partner der Sozialpartner-Initiative „Faire Vergaben“, welche die Novelle zum BVergG durchgesetzt hat, sieht das naturgemäß anders. Man müsse sich eben erst „warmlaufen“ und das derzeitige Verhältnis zwischen Qualität und Preis sei alles, was die Praxis derzeit vertrage.
Entscheidend sei vielmehr, wie Qualität in Zukunft gemessen werden soll. Dazu Stephan Heid: „In den Kriterienkatalogen, die sich gerade in Ausarbeitung befinden, werden wirtschaftliche, soziale und ökologische Kriterien angeführt – darunter lässt sich sehr viel an einzelnen Bewertungsmodi subsummieren. Jeder versteht unter Qualität etwas anderes, daher ist es umso wichtiger, hier seitens des Gesetzgebers klare Vorgaben geben zu können.“
Ob schlussendlich nur das gemessen werde, was einfach zu messen ist und jene Qualitätskriterien, die wirklich sinnvoll wären, unter den Tisch fallen? Diese Befürchtung eines Teilnehmers konnte Stephan Heid etwa am Beispiel der oftmals stark unterschiedlich ausgeprägten Sozialkompetenz von Bewerbern ausräumen. Auch diese ließe sich laut Heid – freilich aufgrund des Aufwands eher bei Großprojekten – etwa mit Hilfe einer „empirischen Überprüfung der Lösungskompetenz von Bietern“ als Vergabekriterium aufstellen.
Anstieg der Versicherungsfälle durch mangelnde Fehlerkultur
Während es in vergangener Zeit hieß, ein Fehler müsse in angemessener Zeit behoben werden, so sei es heute von Seiten der Auftraggeber üblich, in einem solchen Fall das Honorar zu kürzen und Pönalen zu vergeben.
„Wir arbeiten nicht schlechter als früher, trotzdem steigt die Zahl der Versicherungsfälle. Das liegt an der mangelnden Fehlerkultur der Auftraggeber und an dem fehlenden Verständnis, dass ein zu geringes Honorar zu verstärkter Fehleranfälligkeit führt. Denn je schlechter die Ausführenden bezahlt werden, umso höher wird der Aufwand für die Qualitätskontrolle. Und die liegt bei uns Planern. Gleichzeitig steigen unsere Honorare aber nicht und der Schadensfall wird auch uns angelastet,“ skizziert Andreas Gobiet die aktuellen Probleme seines Berufsstands. „Wir müssten eigentlich hinter jedem stehen und prüfen, ob die Arbeit auch wirklich entsprechend erledigt wird. Ist das nicht der Fall, so haben wir oftmals nicht mal die Möglichkeit, diesen zu beheben.“
Auch seitens der BIG – ihres Zeichens Österreichs größter Auftraggeber von Bauleistungen im Hochbau – wird mangelnde Fehlerkultur verortet, allerdings auf Seiten der Auftragnehmer. „Mein Wunsch ist, dass uns Auftragnehmer früher darüber informieren, wenn es Schwierigkeiten, etwa mit einem Subunternehmer, gibt. Wir sehen ein Projekt als eine Partnerschaft und sind als Auftraggeber üblicherweise bereit, bei Schwierigkeiten eine gemeinsame Lösung zu finden,“ ergänzt Claudius Weingrill.
Baugesamtversicherung macht Fehlerkultur zur Pflicht
Einen Lösungsansatz dazu bietet Peter Artmann, Prokurist und akademischer Versicherungskaufmann der Aon Risk Solutions. Einerseits solle sich Qualität und qualitativ hochwertiges Arbeiten in Zukunft durch stark vergünstigte Prämien bezahlt machen, andererseits biete Aon Risk Solutions etwa im Rahmen einer Gesamtversicherung für Bauherren, Planer und Ausführende eine Lösung, die eine mangelnde Fehlerkultur für beide Seiten von Beginn an verhindere. Denn, so Artmann, alle am Bau Beteiligten seien hier in einem gemeinsamen Vertrag aneinander gebunden.
„Es kommt mehr Prämienvolumen zusammen und Versicherungsnehmer ist in der Regel der Bauherr. Das verhindert langwierige Streitigkeiten zwischen Sachverständigen und den einzelnen Versicherungen der am Bau beteiligten Unternehmen,“ betont Artmann. Mit dieser Versicherung, so Artman weiter, könnten Geschädigte ihre Ansprüche zudem auch im Konkursfall eines Subunternehmers geltend machen.
Fairer Preis durch optimierte vertiefte Angebotsprüfung
In Bezug auf einen angemessenen Preis sieht Stephan Heid insbesondere Potenzial im Hinblick auf die Optimierung von § 125 BVergG „Prüfung der Angemessenheit der Preise – vertiefte Angebotsprüfung“. „Hier lässt sich in gemeinsamer Arbeit mit Interessensvertretungen wie dem VZI sicherlich ein besserer Paragraph herausbringen,“ so Stephan Heid abschließend.