Kooperationsbereitschaft wird zur Gretchenfrage beim Umgang mit Daten
Building Information Modeling (BIM) – eine Methode der optimierten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden mit Hilfe von Software in digitalen Gebäudemodellen – ist die Industrie 4.0 der Bau- und Immobilienbranche und derzeit in aller Munde. Mit BIM ist es möglich, ein Gebäude von Anfang an so zu planen, dass alle beteiligten Gewerke berücksichtigt sind und daher auch für den späteren Betrieb alle Informationen für eine optimale Bewirtschaftung vorliegen.
Die Basis: Daten und Informationen aus allen beteiligten Fachbereichen. Und hier liegt laut Josef Stadlinger, Leiter Building Technologies Division von Siemens, die Herausforderung, die es in der Branche derzeit zu meistern gilt. Stadlinger:„Während in industriellen Digitalisierungsprozessen die Daten meist einem einzigen Unternehmen gehören, sind bei Bauprojekten zahlreiche Unternehmen gefordert, ihre Daten offenzulegen. Wir müssen weg von dem Gedanken, dass es bedrohlich ist, wenn wir unser Wissen mit anderen Gewerken teilen und die Scheu davor verlieren, zusammen zu arbeiten. Das ist die Basis für erfolgreiche digitale Gebäudemodelle.“
Unterstützung der Komponentenindustrie für digitale Bauprojekte gefragt
Insbesondere in Bezug auf die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) fehlen der Immobilienbranche noch Daten aus der Komponentenindustrie. Hier habe man im Merkmalserver, der Daten aus den unterschiedlichen am Bauprozess beteiligten Bereichen beinhaltet, noch keinerlei detaillierte Informationen.
Dies führt zumindest aus Sicht der TGA-Planung dazu, dass BIM derzeit nicht umfassend anwendbar ist, so Susanne Schindler, soeben gewählte Vizepräsidentin des VZI und geschäftsführende Gesellschafterin von ALLPLAN. Schindler: „Die Strukturierung und Bereitstellung dieser Daten ist noch eine große Herausforderung. Denn wir arbeiten derzeit mit Software, die wir nicht effektiv einsetzen können. Dabei macht die Technische Gebäudeausrüstung (technical building services) gemeinsam mit der Bauphysik ca. 40 Prozent des Bauvolumens aus.“
Flexiblere Strukturen bei Ausbildung und Arbeitsrecht
Die neuen Anforderungen an Mitarbeiter in einer digitalen Wirtschaft machen flexiblere Strukturen bei Lehrplänen und im Bereich des Arbeitsrechts zur Grundvoraussetzung eines funktionierenden Systems. Hier seien die Strukturen in Österreich noch viel zu starr und überreguliert.
„Die starren Lehrpläne sind wirklich ein Problem: Man kann keine Lehrpläne mehr machen, die fünf Jahre gleich bleiben. Wenn die Absolventen dann auf den Markt kommen, ist alles wieder anders und ihr Wissen überholt,“ betont Gernot Wagner, Geschäftsführer PORR Design & Engineering.
Mit den derzeitigen starren und komplexen Rahmenbedingungen, auch von Seiten der Gesetzgebung, ließe sich zudem zunehmend in keiner Branche mehr die – jetzt – notwendige Innovationsgeschwindigkeit halten. Für Hermann Erlach, Geschäftsführer Microsoft Enterprise Services, ist das mit ein Grund dafür, warum Österreich so oft Schlusslicht bei der Realisierung innovativer Prozesse sei. Dazu Erlach: „Das derzeitige >Soft Commitment< der österreichischen Politik ist viel zu wenig. In Österreich trauen sich zudem wenige, etwas auszuprobieren. Wir haben, im Vergleich zu anderen Ländern, einen eher „evolutionären Zugang“ zu innovativen Themen. Wir sehen meist einen Ist-Prozess und schauen, wie wir diesen weiter verbessern können und nicht, wie wir es komplett anders organisieren und denken könnten. Etablierte Prozesse, bestehende Infrastruktur und bisherige Vorgaben hindern uns oftmals daran.“
Ein wenig anders sieht dies Michael Kiel, Leiter Operations- und Qualitätsmanagement von EVVA Sicherheitstechnik, der Österreich auch im internationalen digitalen Umfeld ein gutes Zeugnis ausstellt: „Ich bin viel auf internationalen Messen unterwegs und sehe zahlreiche Initiativen aus und in Österreich, dieses Thema aktiv zu verfolgen. Insbesondere im Bereich Ausbildung passiert jetzt einiges im Hinblick auf neue Studiengänge, etwa für Digitalisierungsmanagement.“